
Wie wirken sich negative Preise auf die Direktvermarktung aus
22. Mai 2025
Negative Strompreise: Ein wachsendes Marktphänomen
Am letzten Wochenende gab es zum Muttertag nicht nur Blumen, sondern auch über neun Stunden lang negative Strompreise - in Spitze bis zu -250,32 €/MWh. Verbraucher mit dynamischen Stromtarifen wird es freuen, doch was bedeutet dieses Phänomen konkret für Betreiber von Wind- und Solarparks? Dieser Beitrag analysiert die aktuellen Entwicklungen und deren direkte Auswirkungen auf Ihre Stromvermarktung.
Marktmechanismus: Wie entstehen negative Preise?
Die Stromerzeugung aus Wind- und Solarparks wird primär über den Day-Ahead Markt vermarktet. Bei diesem Verfahren bildet sich für jede Stunde des Folgetages ein individueller Preis durch den Abgleich von Angebot und Nachfrage. Übersteigt das Angebot, beispielsweise durch besonders intensive Sonnen- oder Winderträge, die Nachfrage, kann dies zu negativen Preisen führen: Erzeuger müssen dann dafür bezahlen, dass ihre Energie abgenommen wird.
Historische Entwicklung und Prognose
Die Zahl der Stunden mit negativen Preisen nimmt kontinuierlich (mit Ausnahme der Jahre 2021 und 2022) zu, wie folgende historische Entwicklung zeigt:

Auf alle Stunden im Jahr gerechnet liegt der Anteil der Stunden mit negativen Preisen noch im einstelligen Prozentbereich (2024 waren es ca, 5%), jedoch sind für Betreiber von Wind- und Solaranlagen zwei Faktoren entscheidend:
- Welche Erzeugungsmenge entfällt auf Stunden mit negativen Preisen?
- Welche Vergütung bzw. Kompensation ist in Zeiten negativer Preise zu erwarten?
Gesetzliche Regelungen: §51 EEG
Negative Preise signalisieren ein Überangebot am Markt. Aus Sicht des EEG stellen sie eine kostspielige Angelegenheit dar, da die Marktprämie die Differenz zwischen Marktpreis und fixer EEG-Vergütung bzw. dem anzulegenden Wert ausgleicht. Folgerichtig hat der Gesetzgeber die Förderung während Zeiten mit negativen Preisen zunehmend eingeschränkt.
Nach §51 EEG erhalten geförderte Anlagen seit 2016 keine Förderung für die Erzeugung in Stunden mit negativem Preis - zunächst wenn für mindestens sechs aufeinanderfolgende Stunden die Preise negativ waren und mittlerweile ab der ersten Stunde mit negativem Preis. Damit fällt in diesen Stunden ein wichtiger Teil der Vergütung der Betreiber weg.
Wirtschaftliche Konsequenzen für Anlagenbetreiber
Die entgangene Erzeugungsmenge durch negative Preise ist erheblich. Die Grafik zeigt, dass je niedriger die Preise, desto höher der Anteil an erneuerbaren Energien - insbesondere Photovoltaik.

Besonders schlägt dies bei PV-Anlagen durch, denn es zeichnet sich ein klarer Trend ab: In den Mittagsstunden, also wenn die Anlagen mit ihrer Nennleistung einspeisen, fallen die Preise - immer öfter auch auf unter 0 €/MWh (siehe Grafik unten). Damit konzentrieren sich die Stunden mit negativen Preisen auf die Stunden mit besonders hoher Einspeisung.

Vertragsgestaltung: Empfehlungen für die Praxis für EEG-Anlagen
Grundsätzlich gilt es zu unterscheiden zwischen der Vergütung bzw. Kompensation bei
- marktbedingten Abschaltungen und
- bei §51 (d.h. nach 1/4/6 Stunden mit negativem Preis)
Für Zeiträume und Anlagen, in denen der §51 EEG greift, gelten oft abweichende Regelungen, da in diesen Zeiträumen kein Anspruch auf Förderung und auf Zahlung der Marktprämie besteht. Für Betreiber von Solarparks mit Inbetriebnahme nach 2016, die unter den §51 EEG fallen, sind die Auswirkungen deshalb besonders dramatisch.
Eine vollständige Übertragung des Risikos negativer Preise auf den Direktvermarkter erhöht Ihr Dienstleistungsentgelt in der Direktvermarktung. Mögliche Optionen sind:
- Maximum aus Marktwert und anzulegendem Wert: Bei einer Abschaltung werden Sie so kompensiert, als hätte es die Abschaltung nie gegeben. Diese Option wird oft für marktbedingte, aber nicht für den §51-Abschaltungen angeboten.
- Anzulegender Wert: Wenn der Monatsmarktwert über Ihrem anzulegenden Wert liegt, fahren Sie mit dieser Regelung schlechter. Diese Regelung bietet jedoch dem Direktvermarkter etwas mehr Spielraum bei der Steuerung Ihrer Anlagen und kann deshalb die Höhe Ihres Dienstleistungsentgeltes reduzieren.
- Marktwert: Viele Direktvermarkter vergüten die Einspeisung/Ausfallarbiet bei §51 mit dem Marktwert. Da die negativen Preise auch den Monatsmarktwert drücken, liegt dieser dann oft weiter unter dem anzulegenden Wert. Im vergangenen April lag der Monatsmarktwert Solar bei nur 30,41 €/MWh, während der Monatsmarktwert für Wind Onshore bei 73,14 €/MWh lag.
- Keine bzw. 0 €/MWh: Besonders bei Spot- und Festpreisverträgen wird die Option angeboten, dass bei negativen Preisen nichts bzw. 0 €/MWh ausgezahlt werden. Diese Option bieten einige Direktvermarkter auch bei §51 an, um ein günstigeres Dienstleistungsentgelt anbieten zu können.
- Spot: Hier tragen Sie als Betreiber das volle Preisrisiko und wenn Ihre Anlage bei negativen Preisen einspeist, zahlen Sie den vollen negativen Preis.
Sie sollten sich deshalb als Betreiber gut überlegen, welchen Anteil des Risikos negativer Preise Sie selbst tragen möchten. Je mehr Sie vom Risiko selbst tragen, desto günstiger wird Ihr Dienstleistungsentgelt oder desto höher Ihr Festpreis.
Fazit: Negative Preise erfordern strategisches Handeln
Die konkreten Auswirkungen negativer Preise auf die Vermarktung hängen maßgeblich von der Anlage und der gewählten Vermarktungsform ab. Auf der Plattform weisen wir die Vergütung bei §51 und der Abregelung bei Vermarkterabschaltungen explizit aus, sodass Sie sofort einen Überblick bekommen.
Alle Grafiken von: Alexander Roth und Wolf-Peter Schill (2022): "Open Energy Tracker: Eine offene Datenplattform für das Monitoring von energiepolitischen Zielen". https://openenergytracker.org/